2012-06-18

Schweizer Wein in der Sprachenfalle

Mit dem Facebook-Konto swisswine.wordpress.com ist die Werbe- und Absatzförderungsoragnisation für den Schweizer Wein auf der Suche nach einem neuen Zielpublikum: Sprachakrobaten und abstrakte Denker.

Ich bin kein passionierter Nutzer der neuen digitalen und angeblich so sozialen Netzwerke (social media). Dennoch bin ich über mein Facebook-Konto mit 335 Freundinnen und Freunden verbunden. Und ich gestehe: Facebook hat mir in der Vergangenheit schon manche Wartezeit verkürzt. Auch heute. Einem Freund gratulierte ich zum Geburtstag und mit einem Bekannten bin ich ab jetzt befreundet. Weil ich Zeit habe, blättere ich durch die Seiten und stosse da und dort auf Interessantes.

Mir fällt die Präsenz von Swiss Wine auf
Endlich werden nicht mehr namenlose Weiss- und Rotweine mit Schokolade und Taschenmessern gleichgestellt, wie dies auf staatlich geförderten Plakaten gezeigt wird. Was in den vergangenen Jahren ein absolutes Tabu war, ein «no go» für das die Verantwortlichen regionaler Absatzförderungsstellen hätten gelyncht werden können, schleicht sich nun durch die Hintertüre der Social Media in unser Bewusstsein. Bravo! Ein Kompliment an Gilles Besse, den neuen Präsidenten seit Mai 2012, und die neue Geschäftsleitung, seit Januar 2012. Da werden nun plötzlich Landschaften gezeigt, Weine beschrieben und sogar Leckereien aus der Küche – inklusive der Rezepte – dazu empfohlen. Eine starke Leistung. Aber nur auf den ersten Blick. Der zweite Blick lässt mich vor Schreck erstarren: «In zwölf Franc die Flasche kann allein ein tiefer „génuflexion“ versuchen, sich zu berufen, die Großtat zu grüßen.» oder «Bequem, unter der Liebkosung der erster Strahlen, schreibt sich der erste Angriff in die scharfsichtig mit Zitrone Register mit einer Mandelspitze schönen Feingehaltes ein, bevor …». Solche Sätze sind da zu lesen. Armer Schweizer Wein.

Weitere «Müsterli» finden Sie hier: swisswine.wordpress.com

Swiss Wine Promotion hat reagiert und die deutschsprachigen Texte vom Netz genommen (anmerkung der Redaktion).

Nichts ist besser als gut Gedachtes
Seit Jahren arbeiten Winzer, Selbstkelterer und Weinproduzenten hart an der Qualität des Schweizer Weins. Sie setzen sich zusammen, tauschen ihre Erfahrungen aus und treten in Vereinigungen wie Arte Vitis oder junge Schweiz – neue Winzer auf, um nur zwei Beispiele zu nennen. Die Besten von ihnen – sowohl Winzer als auch Weine – haben Weltformat. Unermüdlich sind sie überall dort präsent, wo sich Liebhaber von guten Tropfen zusammenfinden. Die Unterstützung von zahlreichen Journalisten und privaten Initiativen wie Vinea mit dem Mondial du Pinot Noir, Mémoire des Vins Suisses oder Plattformen wie RomanduVin und weinlandschweiz.ch ist ihnen sicher. All diese Aktivitäten fruchten. Schweizer Wein liegt im Trend. Sogar die leichten fruchtigen Landweine sind wieder gefragt. Die Zeiten, in denen darüber die Nase gerümpft wurde sind endgültig vorbei. Auch wenn wir nicht viel exportieren, findet Schweizer Wein im Ausland Beachtung und grossen Respekt.

Und nun kommt Swiss Wine mit solchen Weinbeschrieben: «Etwas zwischen der aufständischen Fremdartigkeit von Apfelwein von Asturies, der fringance der Weißen von Toscane, die scharfsinnige Kompliziertheit eines viognier von Condrieu, das in einem leichten Kleid eingepackte alles alles der Sanftheit und der fruchtigen Eleganz …». Der ungefilterte Text, ohne nachzudenken ins Netz gestellt und verfügbar für 800 Millionen Nutzer, ist eine Lachnummer für Weininteressierte und eine Blamage für Weinvermarkter. Wo bleibt die Wertschätzung gegenüber den Produzenten?

Mit einem Budget von zwölf Millionen Franken (für das laufende und nächste Jahr), das die Swiss Wine Promotion, die Werbe- und Absatzförderungsstelle für den Schweizer Wein und Urheberin der Einträge auf Facebook, zur Verfügung hat, dürften die wenigen Tausend Franken für eine professionelle Übersetzung wohl auch noch zu bezahlen sein.

Wer hat den Witz nicht verstanden?
«Ich arbeite darauf hin», witzelt Diego Mathier, bester Schweizer Winzer der Jahre 2007 und 2011, anlässlich der Gala des Grand Prix du Vin Suisse 2011, dass im Ausland einst gesagt wird: «Ah, die präzisen Uhren kommen aus dem Land wo der gute Wein wächst.» Das hat wohl jemand gewaltig falsch verstanden. Oder verstehe ich den Zusammenhang nicht? Welches Publikum will Swiss Wine mit so abstrakten Phrasen wie «… ich gebe zu, einen Korkenzieher in Form des Fragezeichens profitiert zu haben, das sich seit dem ersten Schluck ins Ausrufezeichen verwandelt hat! …» für den Schweizer Wein begeistern?

Gabriel Tinguely, Herausgeber von weinlandschweiz.ch


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