2022-04-21

Rebfläche, Weinproduktion und Konsum

Winzerinnen und Winzer arbeiten mit der Natur. Da sind Schwankungen vorgegeben. Doch nicht jedes Jahr führen widrige Wetterextreme zu schlechten Ernten. 2021 war so schlecht wie letztmals 1957. Auch der Konsum unterliegt signifikaten Schwankungen.

Schweizer trinken jedes Jahr etwas weniger Wein – manchmal aber auch ein bisschen mehr

Jahr Rebfläche
in ha
Produktion
in Mio. l
Import
in Mio. l
Konsum
Schweiz
in Mio. l


in %
Konsum
Import
in Mio. l


in %
Kons.
Total
in %
2023 14’569 101
169
91
+3,76
144,9
-2,75
-0,34
2022 14’606 99
178
87,7
-2,8
149
-9,4
-7,06
2021 14’629 60,9
190
90,2
-4,95
164,8
+6,06
+1,88
2020 14’696 83,4
182,89 94,9 +0,44 155,38 -3,31 -1,93
2019 14’704 98
178 94,5 +5,82 160,7 +4,01 +4,65
2018 14’712 111
178 89,3 +2,76 154,5 -4,9 -2,2
2017 14’748 79 186 87 -2,5 163 -1,1 -1,6
2016 14’780 108 185 89 -9,73 164 0,19 -3,8
2015 14’793 85 188 99 +0.56 165 -2,14 -1,13
2014 14’835 93,4 160 98 -8,1 168 +1,6 -2,2
2013 14’883 83,9 184,3 106,9 +10,2 165,7 -2,6 +2
2012 14’920 100,4 190 97 -3,5 170 -1,5 -2,2
2011 14’920 112 189,5 101,5 -4,52 172,6 -0,8 -2,3
2010 14’942 103 193,9 106,3 +3,2 174 +0,8 +1,7
2009 14’820* 111,35** 190,8 103 -4,54 172,6 +1,3 -0,9
2008 14’841* 107,44** 184,5 107,9 +0,03 170,3 -0,9
-0,5

 

Die Berechnung des Weinkonsums berücksichtigt die Lagerbestände sämtlicher Betriebe, die der SWK oder einer kantonalen Kontrollstelle unterstellt sind. Bei der Berechnung des Gesamtverbrauchs an Schweizer und ausländischen Weinen wurden die Verarbeitungs- und Exportweine berücksichtigt.

* Für die Berechnung der gesamten Rebfläche der Schweiz wurden nur Rebflächen berücksichtigt, die in der Schweiz gelegen sind, unter Ausschluss der Flächen in Grenzgebieten. Die Rebfläche von Genf umfasst nur Parzellen auf Schweizer Boden.

** Anders als in den Vorjahren ist die Ernte aus den Grenzgebieten in den Zahlen für die Ernte 2009 des Kantons Genf nicht enthalten.

*** Die Zahlen werden jeweils im April bekannt gegeben.

(Quelle: Das Weinjahr, Bundesamt für Landwirtschaft)


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Kommentar

Die Situation beim Schweizer Wein
Die Rebfläche der Schweiz hat in den vergangenen zehn Jahren um 250 Hektaren oder 1,66 Prozent abgenommen. Im gleichen Zeitraum sank die Produktion um etwas mehr als zehn Prozent. Rein rechnerisch kann daraus geschlossen werden, dass die Qualität der Schweizer Weine um 8,8 Prozentpunkte gestiegen ist. In der Tat wurden die «einfachen» Weine nur ein bisschen besser. Bei den Top-Crus konnte die Qualität enorm gesteigert werden. «La Suisse est un pays de paradoxes. Elle produit les mauvais vins les plus chers au monde. Mais ses meilleurs crus offrent un rapport qualité-prix difficilement égalable», schreibt Pierre-Emmanuel Buss in seinem Buch «Guide des meilleurs vignerons de Suisse».

Dass der Konsum zwischen 2008 und 2018 um 17,32 Prozent abgenommen hat ist ebenfalls ein statistischer Wert. Zieht man das Minus von 10,5 Prozent bei der Produktion ab, trinken die Schweizer nämlich nur 6,73 Prozent weniger heimische Weine. Ausländische Gewächse haben derweil Marktanteile von 9,27 Prozent verloren.

Noch etwas zur Statistik: Die grosse Ernte des Jahrgangs 2018 wird erst in den Statistiken 2019 bis 2021 wirksam. (Wein, der nicht verfügbar ist, kann nicht konsumiert werden. Auch wenn die Nachfrage da wäre. Siehe Zahlen in rot: Aufgrund von Mehltau und Wettereinflüssen fiel die Ernte 2021 so gering aus, wie seit 50 Jahren nicht mehr.) Die Produktion von 111 Millionen Litern kann nicht mit dem Konsum von 89,3 Millionen Litern verglichen werden. Denn der erste Weisswein des Jahrgangs, der Neuchâtel Non Filtré kam am dritten Mittwoch des Jahres 2019 auf den Markt. Dann folgten andere Weissweine und erste Rotweine. Weine die in Barriques reifen, gelangen erst 2020 in den Verkauf, einige Spezialitäten erst im 2021. 

Kein Grund zur Panik. Dank zeitgemässen Keltertechniken gewinnen die Weine mit zunehmender Reife. Während ich am 16. Januar diese Zeilen schrieb, genoss ich einen Chasselas AOC Genève des Jahrgangs 2012. Die Flasche kostete 8.50 Franken. Ich öffnete sie am 3. Januar, verkostete ein erstes Glas, verschraubte und stellte sie in den Kühlschrank. Seither genoss ich drei weitere Gläser ohne den geringsten Qualitätsverlust. Das können die meisten Schweizer Weine.

Der Weinkonsum sinkt. Das schleckt keine Geiss weg. Gründe dafür gibt es viele: die 0,5 Promille, das Rauchverbot in Gaststätten, stressige Business-Lunches zu denen nur Wasser getrunken wird sowie ein neues Gesundheits- und Körperbewusstsein. Das «Cüpli» Prosecco, das man sich da und dort genehmigt, ist ja kein Wein! Vielleicht liegt es jedoch auch an der Tradition, den Etiketten oder der Verpackung.

Welcher Jungendliche hat heute noch ein Sackmesser in der Hosentasche? Traditionelle Korkverschlüsse sind einfach weniger partytauglich als Schrauber oder Kronkorken.

Die Frakturschrift – die Feder- und Tuscheschrift aus den Büchern der Urgrosseltern – auf Burgunder-Etiketten bürgen in der USA für Ursprung und Qualität. Mit modernen Etiektten wären die Weine nicht verkäuflich. Auf der anderen Seite sind «Kung Fu Girl» und «Boom», der mit der Bombe auf dem Label, vom Amerikaner Charles Smith Kult.  Im Etikettendesign steckt grosses Potenzial.

Zum Wein: Die Rebsorte Chasselas hat ihren Ursprung am Genfersee. Aus ihr gekelterte Weine sind grossartig. Nur was die Romands lieben, muss den Deutschschweizern noch lange nicht schmecken. Unter dem Einfluss von deutschem Riesling und Grünem Veltliner aus Österreich sind dort Weine mit mehr Säure gefragt. Würden die Romands ihren Markt wirklich kennen, könnten Sie für die Deutschschweizer einen Teil ihres Chasselas ohne biologischen Säureabbau abfüllen. Solche Weine gibt es und sie finden hüben und drüben Anklang.

Das müsste dann entsprechend deklariert werden, was ein heisses Eisen ist. Denn Wein ist ein Lebensmittel, das in Flaschen verkauft wird. Ein Lebensmittel ist auch die in Plastik eingeschweisste Bratwurst. Während für die Wurst ein Beipackzettel nötig ist, muss auf der Etikette lediglich der Alkoholgehalt – auf 0,5 % Vol. genau – und der Hinweis, dass das Produkt Sulfite enthält, deklariert werden. Auf Sulfite, schweflige Säure, reagiert einer von 1000 Weingeniessern! Viele Weinliebhaber würden sich jedoch für die Zusammensetzung interessieren. Ein gutes Beispiel liefert Claude Chiquet aus Ormalingen. Er deklaritert die Rebsorten, deren Erntedatum und die entsprechenden Öchslegrade, die Gesamtsäure, den Restzucker und Alkoholgehalt sowie die Verweildauer im Holz.

Eine Klassifiaktion wie in Frankreich mit ihren «vins de pays», «IGT» und «AOC», Deutschland mit «Gutswein», «Ortswein» und «Lagenwein» oder Österreich mit «DAC Klassik» und «DAC Reserve» sind in der föderalistischen Schweiz nur schwer umsetzbar, wären für die Konsumente aber äusserst hilfreich.

Gabriel Tinguely
16. Janaur 2020 (Hat bis heute in seiner Gültigkeit nichts eingebüsst.)