Champagner, so besagt ein geflügeltes Wort, seien Weine für faule Kellner. Denn sie würden zu allen Speisen passen. Stimmt, finden Gutbetuchte und süffeln den perlenden Wein zu Austern, Kaviar und Rauchlachs. Stimmt nicht, sagen Experten. Mit eben diesen Speisen reagiere Schaumwein negativ und hinterlasse einen blechig metallischen, oxydativen Nachhall. Sie empfehlen zu Rauchlachs milden Chasselas oder Arneis, zu Kaviar Wodka und zu Austern aromatischen, aber trockenen Sauvignon Blanc. Wenn nicht zu diesen exklusiven Speisen, wozu passt Schaumwein dann?
Die Säure schneidet wie ein Messer durch Butter- und Rahmsaucen
Mit seiner appetitanregenden Säure und dem schnell wirkenden, aufmunternden Effekt ist Schaumwein der perfekte Aperitif. Dazu braucht es nur leicht gesalzenes Blätterteiggebäck, um den Trinkgenuss zu steigern. Voll zur Geltung kommen Schaumweine jedoch erst als Begleiter von entsprechenden Speisen. Wie es in den meisten Anbaugebieten üblich ist, trinkt man den lokalen Wein bevorzugt zum Essen. Als Traumpaare gelten Champagner und Gänseleber oder Erdbeeren. Vielerorts ist die Küche aber eher deftig als raffiniert. In der Champagne zum Beispiel liebt man rustikale Suppen auf der Basis von Kartoffeln, Bohnen, Linsen oder Gemüse. Oft serviert man Wildbret oder Wildgeflügel. Nicht zuletzt werden rund um die Champagne weltberühmte Käse hergestellt wie Brie de Maux, Boursault, Chaumont und Explorateur oder Maroilles. Auch mit Schweizer Hartkäse harmonieren die Autolyse-Noten reifer Champagner hervorragend. Als Autolyse wird der Vorgang bezeichnet, bei dem sich, nach einigen Jahren der Reife, die Hefen der Flaschengärung zersetzen und neue Aromen freisetzen. So kann vor dem Degorgieren ein üppig fruchtiger Ton entstehen, den Kenner schätzen und der von Ungeübten als Oxydation missverstanden wird. Dabei kann Schaumwein nicht oxydieren, weil durch den Druck der Kohlensäure kein Sauerstoff in die Flaschen eindringen kann.
Die frische Säure, die zum Aperitif den Appetit anregt, wird vom Fett in Butter- und Rahmsaucen aufgefangen. Besonders gelungen ist die Kombination eines Blanc de Blancs mit Spargeln und Sauce hollandaise. Hervorragend harmonieren Fisch und Meeresfrüchte an Weissweinbuttersauce mit einer kräf tigen Cuvée oder sautierte Kalbsmil ken an Rahmsauce zu einem Blanc de Noirs. Die moderne Küche verwendet oft Fruchtsüsse als Geschmacksbrü cke. Das passt genauso gut wie ein Tatar aus rohem Fisch mit wenig Öl. Werden rohe Zwiebeln und Zitronensaft dazugemischt, ist das ein absolutes «No- Go». Denn Essig, rohe Zwiebeln, Zitrusfrüchte, Rhabarber, Salz, Zucker und starke Gewürze zum Schaumwein sind ein Tabu. Süsse Schaumweine, mit 35 bis 50 Gramm Zucker pro Liter als «Demi-sec» und bei über 50 Gramm Zucker pro Liter als «Doux» bezeichnet, passen zu Desserts wie Cremen, Halbgefrorenem und Gebäck.
Kühne Rechner verkaufen beste Schaumweine
Ein ganz anderes Thema sind Billig-Produkte, die vielerorts als Hausmarke angeboten werden. So bestellt sich ein Gast, in Gedanken die Arbeit noch nicht ganz losgelassen, ein «Cüpli» und stösst damit auf den Feierabend an. Nach einem ersten Schluck geniesst er entspannt das Leben. Doch genauso schnell wie das Glas geleert ist, wird das sprudelnde Etwas vergessen. Zwar verspürt der Gast nach einem Glas noch keinen Kater, doch spätestens nach dem dritten «Cüpli» herrscht Ebbe in seinem Portemonnaie. Umso mehr klingelt dafür die Kasse bei Restaurant- und Barbesitzern. Während diese für stille Weine mit Kostendeckungsbeiträgen zwischen 25 und 50 Franken pro Flasche rechnen, kalkulieren sie beim Schaumwein mit schamlosen Faktoren. So wird eine durchschnittliche Marke, die im Einkauf 8 bis 25 Franken die Flasche kostet, auf der Weinkarte rasch zu 180 oder gar 220 Franken angeboten.
Vinophile Gäste kennen die Einkaufspreise. Sie wissen auch, dass das Handling einer Flasche Schaumwein, von deren Bestellung bis zur Entsorgung der leeren Flasche, nicht teurer ist als bei einem Weisswein. Vergleichbar und mit einer satten Marge gerechnet, dürfte der ausgeschenkte Schaumwein bei einem «Cüpli»-Preis von angenommenen 15 Franken einen Einstandspreis von 50 Franken haben. Für dieses Geld gibt es zahlreiche hervorragende Produkte. Viele der hier vorgestellten Schaumweine sind deutlich günstiger und blieben den Gästen nachhaltig in Erinnerung.
Schaumwein hat noch einen weiteren Vorteil: Die besten Kreszenzen reifen in den Kellern der Produzenten während mehrerer Jahre auf den Hefen der zweiten Gärung, bevor sie degorgiert und für den Verkauf konfektioniert werden. Gelangen die Schaumweine dann auf den Markt, sind sie in der Regel trinkreif. Somit entfallen die bei vielen Rotweinen üblichen Lagerkosten. Vorausgesetzt sie lagern kühl und vor Licht geschützt, können Cava, Spumante oder Champagner wie edle Rotweine mehrere Jahrzehnte überdauern.
Schaumweine verdienen höchste Aufmerksamkeit beim Ausschenken
Exklusive und teure Weine wie der aus einer einzigen Lage gekelterte Giulio Ferrari 2001 oder der «S» Le Mesnil 1999 von Champagne Salon reifen über zehn Jahre. Die Cuvées von Gosset und Laurent-Perrier stammen aus Premier- und Grand-Cru-Lagen. Wie grosse Weiss- weine, Bordeaux oder Barolo aus den gleichen Jahrgängen dekantiert werden, brauchen auch die besten Schaumweine Luft, damit sie ihre volle Aromatik entwickeln können. Dekantieren kommt aber nicht in Frage. Denn dabei würden zu viele der feinen Perlen und somit das Herz der Mousseux verlorengehen. Die hier vorgestellten Schaumweine wurden in Universalgläsern der Manufaktur Zalto verkostet. Das Glas mit einem Volumen von 5,5 Dezilitern sowie einer breiten Oberfläche unterstützt die Evolution des Weines, und die Aromen können sich optimal entfalten. Die Feinheit des Glases unterstützt zudem seine perlende Leichtigkeit. Wie alle gehaltvollen Weissweine sollten auch die besten Schaumweine nie eisgekühlt serviert werden. Eine besondere Vorsicht gilt beim Einschenken. Wenn perlende Weine in ein tro- ckenes Glas plätschern, schäumen sie wie Bier. Eleganterweise wird das Glas in die Hand genommen und vorsichtig eingeschenkt. Ange- brochene Flaschen bleiben mit einem Schaumweinverschluss und im Kühlschrank gelagert mehrere Tage ohne qualitative Einbusse frisch.
Gabriel Tinguely für die Hotellerie et Gastronomie Zeitung, Ausgabe 37/13 vom 21. November 2013.
Die angegebenen Preise sind Einkaufspreise für die Gastronomie. Alle Preisangaben sind ohne Gewähr. Ein Stern hinter den Ziffern bedeutet, dass die Mehrwertsteuer inbegriffen ist.
Hier können Sie den ganzen Artikel inlkusive Degustationsnotitzen als pdf herunterladen.
Am 18. November 2013 hat Laurent Probst von Vins Confédérés ein Dutzend Weinliebhaber zu einer repräsentativen Degustation eingeladen. Im Zentrum der Mamut-Verkostung im Schloss von Colombier/NE standen Schweizer Schaumweine. Auf seine Anfrage bei den kantonalen Weinbauverbänden, reichten Winzer Muster ein. Insgesamt sind 83 Flaschen zusammengekommen. Verkostet wurden diese blind, in 3er-Serien und sortiert nach den Kategorien «brut», «demi-sec», «millésime» und «rosé». Nach der stillen Verkostung wurden die Weine kurz besprochen. Jeder der Degustatoren bewertete die Weine nach seiner Methode. Bei der Verkostung ging es darum, sich einen Überblick über die Qualität(en) der Schweizer Schaumweine zu verschaffen, nicht darum einen «Champion» zu küren. Die Auswahl der Weine sowie die Namen der Degustatoren finden Sie auf Vins Confédérés.
Weil es eine Mode ist, oder die Kollegen das auch machen, bieten viele Winzer Schaumwein(e) an. Vielfach zu Preisen, die einiges höher sind als der Rest des Sortiments. Gewiss ist die zweite Gärung in der Flasche aufwändig, deren Glas und der Korken teurer als bei einem klassischen Weisswein. Dennoch können zahlreiche Schaumweine als «Lizenz zum Geldmachen» angesehen werden und die Formel Flaschengärung und hoher Preis gleich guter Schaumwein stimmt bei weitem nicht. Das gilt für Champagner genauso wie für Franciacorta, Trento DOC, Cava, Prosecco, Sekt und die Schweizer Schäumer.
Schaumweine, die das Prädikat «perlender Göttertrunk» verdienen sind äusserst rar. Für Publikationen in der Hotellerie et Gastronomie Zeitung, dem Bookelt «Fühstück» sowie der Bibliothek von weinlandschweiz.ch durfte ich in den vergangenen Monaten mit Freude und Verdruss mehr als 150 Schaumweine verkosten. Einen Höhepunkt bildete die repräsentative Verkostung von Laurent Probst mit 81 Schweizer Schaumweinen und zwei «Piraten» aus der Champagne. Unter all den Musterflaschen beeindruckten mich zwei Jahrgangsweine ganz besonders. Diese reiften während zehn Jahren auf den Hefen in der Flasche und wurden erst dann gerüttelt, degorgiert und mit vorsichtiger Dosage konfektioniert: der «S» 1999 von Salon (Champagne) und die Riserva del Fondatore 2001 von Giulio Ferrari (Trento DOC). Beide spielen in Bezug auf Qualität und Preis in der Extra-Klasse. So kostet der «S» von Salon über 320 Franken und für die Riserva del Fondatore von Ferrari müssen rund 100 Franken hingeblättert werden. Doch für die ganz speziellen Momente im Leben sind diese beiden Weine jeden Rappen Wert.
Von allererster Güte – und zu günstigen Preisen – sind auch einige Schweizer Schaumweine. Allen voran der «Brut» von Philippe Bovet aus Givrins/VD (28 Franken/Flasche) , der «Tsampérho I» aus Flanthey/VS (38 Franken/Flasche) sowie die «Cuvée Excellence Brut» von Mauler aus Môtiers/NE (33Franken/Flasche) und ebenfallst aus dem Kanton Neuenburg die «Cuvée Prestige Louis Thiébaud» (24 Franken/Flasche). Immer ein sicherer Wert ist der «Genevoisie 2009» von der Domaine Les Perrières in Peissy/GE (21.50 Franken/Flasche).
Auf die Spitzenweine folgt ein breites Feld ansprechender Qualitäten und Spezialitäten wie der «Etoiles Petillantes» aus Savagnin-Blanc-Trauben (Heida/Païen) von Alexis Jacquérioz aus Martingy/VS, der «Starlight» aus Kerner-Trauben von der Domaine du Feuillerage in Perroy/VD oder «L'Amignonne» aus Amigne-Trauben von Romain Papilloud aus Vétroz/VS.
Negativ aufgefallen sind zahlreiche Schäumer mit Restsüsse, die eher einer Gazosa gleichen als einem Wein. Ein absolutes «no go» sind im neuen Holz ausgebaute Grundweine mit hoher Dosage, sprich nicht deklarierter Restsüsse. Dieses Problem spricht Xavier Bagnoud in seinem Kommentar an. Schweizer Winzer sind kreativ in der Namensgebung und Etikettengestaltung. Eine detaillierte Deklaration wird jedoch oft vernachlässigt. So ist es in vielen Fällen nicht ersichtlich, aus welchen Trauben der Wein entstand und ob er in einem Drucktank oder ein zweites Mal in der Flasche (méthode traditionnelle) gärte und welchen Zuckergehalt der Schaumwein aufweist. Gemäss der Verordnung des Eidgenössischen Departements des Innern über alkoholische Getränke (817.022.110), wären bei Schaumweinen die Angaben der Restzuckergehalte pro Liter wie folgt anzugeben:
Hier geht es zum Kommentar von Laurent Probst dem Initiant und Organisator der Verkostung.
Hier geht es zu den Anmerkungen von Yves Pasquier, Journalist, Degustator an internationalen Wein-Wettbewerben und Fachlehrer.
Hier geht es zu den Gedanken des Önologen Yavier Bagnoud zum Angebot an Schaumwein aus Schweizer Produktion.
Hier finden Sie Degustationsnotitzen von weinlandschweiz.ch
Und hier geht es zu einem älteren Beitrag (2008) von Gabriel Tinguely zum Thema.