Ende August präsentierten 170 Winzer mehr als 1.000 Weine und lockten über 1.200 Besucher ins Zürcher Kongresshaus, um in die vielfältige Welt der Schweizer Weine einzutauchen.
(Grafik: Atelier 26)
Über 1.000 Weine an einem Tag zu verkosten, ist kaum möglich. Auch dann nicht, wenn sie aus den Kellern der renommiertesten Winzer des Landes kommen. Und genau das macht den Erfolg der Veranstaltung «Mémoire & Friends» aus. Seit sechs Jahren hat diese ihren festen Platz in den Agenden aller Liebhaber von Schweizer Wein. So kann man sich einzelnen Regionen oder Themen wie Sauvignon Blanc, rote Spezialitäten oder gereifte Weine aus der Schatzkammer der Vereinigung Mémoire des Vins Suisses vornehmen. Heuer wurden Gewächse des Jahrgangs 2004 präsentiert. Neben Klassikern und neuen Kreationen traditioneller Weingüter, sind insbesondere die Crus junger Winzer eine Reise nach Zürich wert. Die Vielfalt ist enorm und die Qualität beeindruckend. Das zeigte auch die «Transhelvetic Party» am Vorabend, zu der sich Produzenten, Journalisten und «Swiss Wine Friends» auf Schloss Sihlberg trafen. Rund 100 Personen nahmen am Limmat Tasting und Rhone-Rhine Dinner teil.
Weinschätze – ohne Profil?
Es erstaunt also nicht, dass die Liste der «must haves» um einige Positionen länger wurde. Auf der anderen Seit hat aber auch die Liste der «Weine, die es nicht braucht» Zuwachs erhalten. Zur Erinnerung: Auf einer Fläche von knapp 15.000 Hektar werden in der Schweiz über 220 Rebsorten kultiviert. 42 Prozent davon sind weisse Sorten, 58 Prozent rote. Kaum eine andere Weinbauregion kennt eine derart grosse Vielfalt. Doch die Vermarktung wird dadurch nicht einfacher. Denn in Restaurants bestellen Gäste tendenziell eher Bekanntes. Auf Weinkarten haben in kleinsten Mengen produzierte Spezialitäten einen schweren Stand. Dies obwohl wir Schweizer immer etwas Neues wollen. Mit dem besten Chasselas oder filigransten Pinot Noir gibt sich kaum jemand zufrieden. Doch wie findet man die besten Gewächse des Landes?
Im Jahr 2013 wurden gemäss der Statistik des Bundes aus den zehn meistangebauten weissen Sorten gute 92 Prozent der Schweizer Weissweine produziert. 63 Prozent entfallen auf Chasselas. Bei den roten Sorten haben die zehn wichtigsten sogar einen Anteil von 95 Prozent. Davon ist die Hälfte Pinot Noir.
Journalist und Weinautor Andreas Keller ist Mitorganisator der Vereinigung Mémoire des Vins Suisses, Initiant von Mémoire & Friends und Herausgeber des neuen Swiss Wine Magazine. (Bild: Hans-Peter Siffert, weinweltfoto.ch)
Die vom «Mémoire des Vins Suisses» selektionierten Weine der 54 Spitzenwinzer zeigen zwar, was in Sachen Qualität möglich ist, doch Flaschen, die in den Fachhandel gelangen, sind rasch ausverkauft. Woran also orientiert sich der Konsument vor den Regalen der Grossverteiler? Denn eine Flasche Blauburgunder/Pinot Noir kann einfachen süffigen Landwein enthalten, der die minimalen Anforderungen der AOC erfüllt. Schätzungen zufolge macht die AOC-Traubenproduktion 95 Prozent der Gesamtproduktion aus. Eine Flasche Pinot kann aber auch eine kräftig strukturierte und lagerfähige Ikone enthalten, die als «vin du pays» deklariert werden muss. Dazwischen ist alles möglich: von trocken säuerlich über lieblich fruchtsüss bis dunkelrot und mit viel Holz aufgepeppt. Da stellt sich unweigerlich die provokative Frage: Produzieren Schweizer Winzer Weine ohne Profil?
Lobenswerte Initiativen sind die «Grand Cru de Salquenen», bei denen sich die Winzer 1988 verpflichteten ihren besten Pinot Noir nicht im Hoz zu reifen, oder «Fully Grand Cru», dem Verein von 23 Winzern, die seit 1996 ihre Ermitage, Petite Arvine, Gamay und Syrah erst nach einem anspruchsvollen Qualitätsverfahren adeln. Weine mit Profil sind auch die Waadtländer Chasselas, die seit dem Jahrgang 2011 das Prädikat «Premiers Grands Crus» tragen, eine Auszeichnung, die sich die Winzer jedes Jahr aufs Neue erarbeiten müssen.