Die renommierte Vereinigung Mémoire des Vins Suisses, der die Elite der Schweizer Weinproduzenten sowie Journalisten und Fachleute aus der Welt des Weins angehören, öffnet einmal pro Jahr ihre Schatzkammer von memorablen Weinen. Darin lagert eine lückenlose Sammlung von heute 54 hochklassigen Weinen aus der ganzen Schweiz, von denen einige über zehn Jahre alt und zum grössten Teil längst ausverkauft sind.
Das Reifepotenzial und die Nobilität der Schweizer Weine zu belegen, das hat sich die Vereinigung «Mémoire des Vins Suisses» auf den Fahne geschrieben. Gelungen ist dies einmal mehr mit den Anlässen vom Mittwoch, 4. März, bis Sonntag, 8. März. Dabei haben die Winzer und Organisatoren aus dem Vollen geschöpft und mit grosser Kelle angerichtet. Im kleinen Rahmen begann die Reise durch die Deutschschweiz am Mittwoch an der Aare mit dem Besuch der Rebschule und dem Weingut zum Sternen von Andreas Meier in Würenlingen, gefolgt von einem Abendessen im familieneigenen Restaurant Sternen.
Der Donnerstag auf dem Rhein führte vom Weingut von Urs Pircher in Eglisau über die Staatskellerei Zürich in Rheinau – mit Degustation von Weinen aus der ganzen Deutschschweiz – nach Oberhallau zu Ruedi und Béatrice Baumann und zum Gasthaus & Weingut Bad Osterfingen von Michael Meyer.
Der Freitag an der Thur zeigt auf dem Schlossgut Bachtobel von Johannes Meier die eindrückliche Qualität der Weinfelder Pinot Noirs. Neben dem Schlossgut Bachtobel präsentierten Michael Broger, Michael Burkhart und das neu aufgenommen Mémoire-Mitglied Martin Wolfer in einer Vertikaldegustation das Potenzial des Terroirs am Ottoberg.
Nach der Arrivage-Degustation in der Wirtschaft am Neumarkt in Zürich wurde im Restaurant Carlton an der Bahnhofstrasse das Abendessen serviert. Jeden Tag sind neue Weininteressierte und Journalisten zur Gruppe gestossen.
Die Schar verbrachte den Samstag auf dem Zürichsee. Die Reise führte vom Theaterquai mit dem Schiff auf die Halbinsel Au, wo Prof. Dr. phil. II Jürg Gafner anhand von Weissweinen und Destillaten die Wirkung unterschiedlicher Hefen vorstellte. Nach einem Teller «Fischschlamperli» wir Co-Organisatorin Cécile Schwarzenbach das Mittagessen kurzerhand umbenannte, ging die Fahrt über den See zu Schwarzenbachs Reblaube. Dort öffnete die Familie von «Stickel» gut drei Dutzend Räuschlinge. Die Vertikale reichte zurück bis ins Jahr 1934. Der duftete intensiv nach getrockneten Blumen und Trockenfrüchten. Zudem verströmte er neben medizinalen Noten einen animalischen Duft. Der 1964er war grossartig komplex mit viel Frucht, einer gewissen animalischen Frische und mit langem weinbeerigem Abgang. Absolut präsent waren die 1980er und 1990er Jahrgänge mit Schraubverschluss. Sie hatten kaum ein graues Haar.
Nach dem Aperitif mit Häppchen am Geschäftssitz des «Mémoire des Vins Suisses» in Zürich, führte die Reise zum Gala-Diner mit gereiften Weinen aus der Schatzkammer ins Hotel Dolder Grand.
Mémoire – die grosse Schatzkammer-Verkostung
Und der Mémoire-Jahresanlass 2015 gipfelte am Sonntag mit der Schatzkammer-Verkostung im The Dolder Grand.
Einmal mehr haben die Winzer des Mémoire bewiesen, dass in der Schweiz Weine allererster Güte gekeltert werden können. Dass die besten Weine internationales Format aufweisen und dass diese ein positives Reifepotenzial von mindestens 15 Jahren haben. Die Schatzkammer-Verkostung hat auch gezeigt, dass es nicht immer die sogenannt «grossen» Jahrgänge sind, die optimal zu Reifen vermögen. Von 2013 bis 2000 waren über alle Winzer gesehen alle Jahrgänge vertreten. Einen Schwerpunkt bildeten die grossartigen Jahre 2013, 2011, 2009 und 2007.
2013 brillante saftige Frucht, voller Körper, von wild bis strukturiert (Mondeuse Noire, Le Vin du Bacouni, Vincent Chollet)
2012 cremige Textur, reichhaltige Frucht (Humagne Blanche, Domaine des Muses)
2011 grandios bei den Weissweinen, opulente, intensive Frucht, kompelxe Körper, sortentypische Ausprägung (Petite Arvine Les Grand’Rayes, Maurice Zufferey – Petite Arvine Grain par Grain, Marie-Thérèse Chappaz – Marsanne Fully Les Claives, Domaine La Rodeline) grandios bei den Rotweinen, sortentypisch, intensiv (Humagne Rouge, Cuvée des Empereurs, Cave La Romaine – Completer, Weingut Donatsch) jetzt einbunkern, werden lange Jahre Freude bereiten
2010 Frucht und Säure, ziselierte Struktur, viel Frische, lang anhaltend, Mineralität (Syrah de Fully Quintessence, Benoît Dorsaz – Ermitage Les Serpentines, Cave Gérald & Patricia Besse – Räuschling Seehalde, Schwarzenbach – Nebbiolo, Enrico Trapletti)
2009 Meisterstücke in Sachen Frucht, Schmelz und nachhaltiger Intensität (St-Saphorin Les Manchettes, Pierre Monachon – Pinot Blanc, Bad Osterfingen – Chardonnay, Christian Hermann – Completer, Weingut Hermann)
2008 ein kurzes Jahr, in dem nicht alle Trauben optima ausgereift sind. Hohe Säure und schlanke, elegante Körper sind die Charaktereigenschaften. Weine mit Ecken und Kanten. (Bondola del Nonu Mario, Azienda Mondò – Beride Dosse, Zündel – Merlot Riserva Tenimento dell’Ör, Agriloro)
2007 Dichte, Kraft und Fülle mit viel Schmelz (Traminer Vully, Cru de l’Hôpital)
2006 frisch, filigran, intensive Frucht (Cornalin, Anne-Catherine & Denis Mercier – Auvernier, Pinot Noir, Domaine de La Maison Carrée – Malanser Pinot Noir Selfi-Wingert, Weingut Georg Fromm – Balin, Cantina Kopp von der Crone Visini)
2005 edelfruchtig, reif, dicht, mit viel Schmelz (Grand’Cour Cabernets Franc & Sauvignon) vielschichtig mit gut eingebundenem Holz (Pinot Noir Pur Sang, Caves Chambleau)
2004 Ein Jahrgang mit viel Frische, Fruchtsäure und Mineralität (Dézaley Grand Cru Médinette, Lous Bovard)
2003 grossartige Fülle, frische Säure, Opulenz (Chardonnay élevé en Barriques, Château d’Auvernier) und bei den Rotweinen traumhaft reife Gerbstoffe (Domaine de Crochet, Cuvée Charles Auguste, Hammel SA – «R», Baumann Weingut – Pinot Noir No 3, Schlossgut Bachtobel)
2002 Kraft und Feuer, pikante Schärfe (Grand’Cour Cabernets Franc & Sauvignon)
2001 unverständliche Härte, wenig anziehende Säure und adstringierende Tannine (Comte de Peney, Domaine des Balisiers)
2000 welk mit grauen Haaren in der Nase, frisch im Gaumen (Pinot Noir Stadtberg, Urs Pircher)
1964 Eine positive Überraschung bot der Räuschling Seehalde von Schwarzenbach in Meilen, der am Vortag in einer Räuschling-Vertikale zur Degustation angeboten wurde.
Die beinahe 15 Jahre Erfahrung zeigen, dass einige Ecken des Weinlands Schweiz durchaus Terroir aufweisen, das Nobilität besitzt. Diese zeigt sich aber nicht schon in der Jugend. Als nobel erweist es sich erst wenn ein Wein Reifepotenzial besitzt, wenn er zehn Jahr ohne Krücken übersteht und dabei besser, komplexer und tiefgründiger wird.