Nach der GV im Tessin öffnete die Vereinigung Mémoire des Vins Suisses in Lugano ihre Schatzkammer. Ziel der exklusiven Degustation war es, das unterschätzte Alterungspotenzial und damit die Nobilität von grossen Schweizer Weinen aufzuzeigen.
Auf einer Felsplatte hoch über Morcote/TI trutzt die Ruine des Castello di Morcote. Umgeben ist diese von Reben auf steilen Terrassen, Olivenbäumen und Zypressen. An schönen Tagen ist die Aussicht über die Südtessiner Alpen und die Schenkel des Lago di Lugano grandios. Am vergangenen Donnerstag öffnete Petrus jedoch die Schleusen – zur Freude der Tessiner Winzer, zum Verdruss der Teilnehmenden an der Generalversammlung GV der Vereinigung Mémoire des Vin Suisses im Zelt neben der Burgruine. Nach langen Diskussionen fegte just zur Aufnahme neuer Mitglieder ein Gewitter über den Ort des Geschehens. Noch nie wurden Mitglieder mit Blitz und Donner aufgenommen.
Je ein Wein von Mike Rudolph und Cristina Monico wurden ins Mémoire des Vins Suisses aufgenommen. (Bilder Hans-Peter Siffert / weinweltfoto.ch)
Thierry Grosjean von Château d’Auvernier, ehemaliger Präsident des «Mémoire», und Cécile Schwarzenbach von Schwarzenbach Weinbau in Meilen/ZH, die als langjährige Finanzchefin aus dem Vorstand zurücktrat, erhielten die Auszeichnung zum Ehrenmitglied.
Produzenten und Gastronomen
Aus dem Gastgeberkanton Tessin wurden die Winzerin Cristina Monico von der Fattoria Moncucchetto in Lugano und Mike Rudolph von der Tenuta San Giorgio in Cassina d’Agno in den Olymp der Schweizer Winzer aufgenommen. Cristina Monico steuert mit dem Refolo Spumante Brut Ticino DOC einen Schaumwein bei. Assembliert aus 85 Prozent Chardonnay und 15 Prozent Pinot Noir reift der Wein nach der Flaschengärung 27 Monate auf den Feinhefen. Mike Rudolph ist mit dem Arco Tondo Ticino DOC vertreten. Die Barriques gereifte Riserva ist eine Cuvée aus mehrheitlich Merlot und je nach Jahrgang ergänzt mit Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon und Petit Verdot. Nun zählt das Mémoire des Vins Suisses schweizweit 60 Produzentinnen und Produzenten.
«Das ‹Mémoire› ist eine grossartige Sache.
Nun müssen wir noch viel mehr darüber sprechen.»
Madeleine Mercier, Präsidentin Mémoire des Vins Suisses
Neben Experten haben auch Gastronomen die Möglichkeit Mitglied beim «Mémoire» zu werden. Die Voraussetzung dazu ist, dass sie sich für Schweizer Weine einsetzen und Weine von mindestens 20 der 60 Mémoire-Winzer anbieten. Neu aufgenommen wurden Albi von Felten vom Landhotel Hirschen in Erlinsbach/SO, Markus Segmüller mit seinem Restaurant Carlton in Zürich, Alexandre Hannemann vom Restaurant Schlüssel in Zürich sowie Thomas Courtin vom Hotel Chesa Randolina in Slis-Baselgia/GR. Die neuen Expertenmitglieder sind die Weinberaterin Brigitte Turin, Satigny/GE und der Journalist Rocco Lettieri aus Cantù bei Como (IT).
Cécile Schwarzenbach trat als langjährige Finanzchefin aus dem Vorstand zurück und erhielt die Auszeichnung zum Ehrenmitglied. Ebenfalls zum Ehrenmitglied ernannt wurde Thierry Grosjean, welcher von 2015 bis 2019 Präsident des Mémoire war. Manuel Zündel wurde als neues Vorstandsmitglied gewählt und übernimmt das Ressort Finanzen.
Das nächste Jahrestreffen findet im Frühling 2024 in Montreux statt.
Auch wenn sich Lugano nicht von der Sonnenseite zeigte, reisten über 250 Liebhaberinnen und Liebhaber von Schweize Wein ins Tessin.
Drei Jahrgänge aus der Schatzkammer
Am Tag nach der GV präsentierten die Winzerinnen und Winzer einer kleinen Runde die neusten Weine, die im zentralen Lager, der Schatzkammer, Eingang finden. Je nach Weinstil handelte es sich um die Jahrgänge 2021, 2020 und 2019. Die Schatzkammer des Mémoire beherbergt rund 30'000 Flaschen Wein von 60 Spitzenproduzentinnen und -produzenten aus der ganzen Schweiz. Einige der Weine sind über zwanzig Jahre alt und natürlich längst ausverkauft.
Es wurde verkostet, diskutiert und auch rege für die sozialen Medien posiert. Die Schatzkammerverkostung lockt auch ein junges Publikum an, das sich für gereifte Schweizer Weine interressiert.
Für alle Weininteressierte zugänglich, war die Schatzkammer-Verkostung im LAC Lugano Arte e Cultura. Mit den Jahrgängen 2018, 2015 und 2012 erfüllte das «Mémoire» seine Aufgabe das Reifepotenzial bester Schweizer Weine aufzuzeigen. Nicht alle Musterflaschen des kühlen Jahrgangs 2012 reiften optimal. Auch dies gehört zur Dokumentation des «Mémoire». Zugänglich, trinkbereit und dennoch mit weiterm Reifepotenzial präsentierten sich die Crus des Jahrgangs 2018. Eine Klasse für sich, da waren sich Produzenten und Verkoster einig, bot der Jahrgang 2015. Weissweine wie Rotweine boten viel Frucht in der Nase und überzeugten am Gaumen mit Struktur (Säure), Biss (Tannin) und Komplexität (Fülle, Eleganz und Länge).
Natürlich durfte die Besichtigung der Betriebe der neuen Tessiner Miglieder nicht fehlten. Hier bei Mike Rudolph in Cassina d’Agno.
Die nächste Gelegenheit «Mémoire»-Winzer zu treffen und Weine zu verkosten, bietet das Swiss Wine Tasting am 28. August in Zürich.
(Gabriel Tinguely)