Einmal im Jahr lädt Ticinowine, der Tessiner Branchenverband Rebe und Wein, zum grossen Stelldichein nach Lugano ein. Meist am ersten Montag im September, manchmal einige Tage später, präsentieren über 70 Produzenten ihre Weine. Neben ersten 2014ern sind dies heuer vor allem die kürzlich abgefüllten, roten 2013er. Denn Merlot «in purezza», sortenrein, oder als Assemblage reift gewöhnlich zwölf bis 18 Monate in Barriques oder grossen Fässern.
So schmeckt der 2013er Merlot
Der 2013er reiht sich nahtlos an die ungeraden Jahre 2007, 2009 sowie 2011. Warme, trockene und späte Jahre lassen viel Spielraum für individuelle Ausprägungen. So zeigen sich die Weine in ungeraden Jahre über das ganze gesehen weniger ausgewogen als solche von kühleren Vegetationsperioden mit geraden Jahreszahlen. «Weine aus Trauben, die vor dem Regen gelesen wurden, weisen würzige Aromen und grüne Komponenten auf», sagt Urs Mäder, Kenner der Tessiner Weinszene und Inhaber der Cantina del Orso in Ascona. «Winzer mit starken Nerven warteten mit der Ernte bis nach dem Regen und konnten fruchtige, elegante Weine abfüllen.» Produzenten und Verkoster sind sich einig: Die 2013er Rotweine sind bereits jetzt trinkreif und die besten Crus haben ein grosses Reifepotenzial.
Die Jahrgansverkostung «Il Viso del Vino» ist am Vormittag jeweils für Händler, Gastronomen und die Presse reserviert. Allen anderen Weininteressierten steht die Veranstaltung am Nachmittag offen.
Zwei Preise für den Verdienst am Tessiner Wein
Bereits am Vorabend der Jahrgangspräsentation wird im kleinen Rahmen gefeiert. Vor versammelter Presse gibt der Vorstand von Ticinowine den Preisträger des «Premio Ticinowine» bekannt. Diese Auszeichnung wird einer Persönlichkeit verliehen, die sich ganz besonders für das Ansehen der Tessiner Weine einsetzen.
Dieses Jahr ging der Premio Ticinowine an die Stadt Mendrisio, vertreten durch deren Sindaco Carlo Croci und Projektleiterin Gaia Regazzoni Jaeggli. Sie haben die Realisation von «Bianco Rosso & Blu», einem Buch über den Weinbau im Kanton Tessin, finanziell und inhaltlich ermöglicht.
Mit Fabiana Matasci und Paola Maran-Matasci wurden zudem zwei Winzerinnen für das Lebenswerk ihres Familienunternehmens ausgezeichnet. 1964 kreierte Peppino Matasci den Merlot Selezione d’Ottobre, der in den vergangenen 50 Jahren zum bekanntesten Tessiner Wein avancierte.
Meteorologisch Bedingungen
Das Rebjahr 2013 begann mit einem relativ milden Monat Januar, welcher der italienischen Schweiz Durchschnittstemperaturen von 2° C über der Norm beschert hat. Der Februar hat sich als kältester Monat des Winters bestätigt, was den März betrifft, war der die Temperaturdurschnitt der tiefste seit 1987.
Die Niederschläge während der drei Wintermonate waren defizitär im Januar und Februar, während sie im März deutlich über dem Schnitt ausfielen. Was die Sonneneinstrahlung angeht, war der Winter südlich der Alpen ziemlich grau und wich von den üblichen Konditionen ab.
In den Frühlingsmonaten April, Mai und Juni fielen 517 mm Regen in Stabio (623 mm im Vorjahr), 655 mm in Lugano (643 mm im Vorjahr) und 700 mm in Locarno (593 mm im Vorjahr). April und Mai waren extrem regnerisch und übertrafen die Norm um 280-300%. Im Gegensatz war der Juni sehr trocken mit einem Niederschlagsmanko bis zu 70% gegenüber der Regel.
Demzufolge waren auch die Temperaturen und die Besonnung der ersten beiden Frühlingsmonate etwas tiefer, insbesondere im Mai, während dem die Temperatur nie die 25° C Marke überschritten haben. Mans muss in die Jahre 1987/88 zurückgehen, um in Lugano einen Mai ohne sommerliche Tage zu finden (Höchsttemperatur gleich oder über 25° C), in Locarno gar ins Jahr 1984.
Das Klima im Monat Juni lag im langjährigen Durchschnitt. In den Sommermonaten Juli, August und September regnete es 226 mm in Stabio (260 mm im Vorjahr), 337 mm in Lugano (245 mm im Vorjahr) e 408 mm in Locarno (529 mm im Vorjahr). Die Niederschläge lagen 10-40% unter dem Schnitt. Demgegenüber fielen die Temperaturen im ganzen Kanton um 1.3° C über dem Mittel aus; dies trifft auch auf die Besonnung zu. Besondere Erwähnung verdient die Abweichung im Mendrisiotto, wo die Sonneneinstrahlung im Juli und August 25% über dem Mittel lag.
(Quelle: Ticinowine/Meteo Schweiz)
Der Vegetationsverlauf
Der Austrieb erfolgte im Vergleich zum Mittel der letzten zehn Jahren verspätet. Die Entwicklung der Triebe war homogen bis zum phenolischen Stadium E-F (gemäß Baggiolini Code), und die Reben hatten bis zu diesem Zeitpunkt den Rückstand aufgeholt. Die Vollblüte stellte mit zwei Wochen Verspätung gegenüber dem zehnjährigen Mittel ein, verlief jedoch ziemlich schnell (7 Tage) gegenüber der mittleren Dauer (12 Tage) und erbrachte eine gute Quote an Fruchtansatz. Der gute Verlauf der Blüte war eindeutig getragen von optimalen meteorologischen Bedingungen mit mittleren Temperaturen von 20° C und wenig Niederschlag. Der Farbumschlag begann gegenüber den letzten zehn Jahren um 13 Tage verspätet. Dank idealen Klimakonditionen reiften die Merlottrauben komplett aus und erreichten ausgezeichnete Gradationen. In einigen Fällen musste die Lese wegen eines gewissen Verzugs bei der phenolischen Ausreifung hinausgezögert werden, dafür fiel die finale Qualität in den meisten Fällen exzellent aus.
(Quelle: Agrometeo.ch, Phenologie Versuchsrebberg in Gudo, Agroscope)
Sacha Pelossi , Präsident der Vereinigung der Selbstkelterer
Die Weine des Jahrgangs 2013 zeigen sich mit einer tiefen Farbe, einer besseren Struktur als die 2012er und mit präsenten Gerbstoffen.
Fredy De Martin, Önologe bei Feliciano Gialdi
Ein ganz großartiger Jahrgang, analytisch mit schöner Säure, tiefem pH, reich an Farbe und Aromen, einer der schönsten Jahrgänge, die ich keltern konnte. Zur Verdeutlichung: vom 2013er wird es einen Trentasei geben, den Wein, der nur in Ausnahmejahren erzeugt wird.
Francesco Tettamanti, Verantwortlicher bei Agriloro
Der Jahrgang 2013 ist auf der Linie der vorangegangenen ungeraden Jahre 2007-2009-2011. Kraft, Eleganz und ausgezeichnete Struktur, begleitet von jenem Wohlgeruch und jener Frische, welche die Tessiner Weine großartig machen. Eine Eigenart, um die uns viele beneiden, weil es ihnen oft nicht gelingt, diese beiden Wesenszüge zu vereinen, gerade so als wären es Gegenspieler.
Markus von Dach, Önologe bei Terreni alla Maggia
Die Gradationen und der Gesundheitszustand waren perfekt. Die Kelterung verlief ohne Probleme. So zeigen sich die Weine heute mit frischem Bouquet von Beeren, am Gaumen sind sie körperreich, mit einer schönen Harmonie, feinen präsenten Gerbstoffen und einer interessanten Säure.
Enrico Trapletti, Winzer und Vorstandsmitglied Ticinowine
2013 war insgesamt ein schönes Jahr, mit kleinen Unterschieden zwischen den diversen Zonen. Ein klein wenig nervöser als die 2011er und 2012er, habe die Weine
etwas später ihren Ausdruck gefunden und weisen ein gutes Alterungspotential auf. Ein Wein, den es zu kaufen und für einige Jährchen im Keller zu vergessen gilt.
Michele Conceprio, Önologe bei Castello di Morcote
Die schnell genießbaren Weine weisen eine gute, komplexe Frucht auf, sind reif und weniger kantig als die 2012er. Die Barrqiue-Weine des Jahrgangs 2013 haben eine sehr bedeutende Struktur und sind noch voll in der Primärphase. Reich an Farbe, mit tiefgründigen Aromen zwischen den primären und sekundären, die noch ganz die Frische markieren. 2013 war ein schönes Geschenk der Natur. Wahrscheinlich ist der Wein in einer schwierigen Phase, um heute vom großen Publikum verkostet zu werden, weil er immer noch in Entwicklung und der verfeinernde Ausbau noch nicht abgeschlossen ist.
Nicola Corti, Selbstkelterer
Die 2013er sind Weine, die eine breite Schicht von Konsumenten zufriedenstellen werden. Dem Jahrgang 2012 überlegen, zeigen sie sich voller und fruchtiger, sind körperreicher und schaffen es dennoch eine schöne Eleganz aufzuweisen. Auch die genussreifen Weine sind rund, anhaltend und von intensiver, tiefer Farbe.
Ralph Theiler, Selbstkelterer
Unsere 2013er sind wegen der samtenen Gerbstoffe gefällig und können schon heute getrunken werden, aber gleichzeitig haben sie ein gutes Alterungspotential. Toll auch die Farbe, ein tiefes Rubinrot mit lebhaften violetten Reflexen.
Adriano Kaufmann, Selbstkelterer
Ich erinnere mich daran als schöne Ernte. Bestimmt hat der wunderbare Monat September zur guten polyphenolischen Reife beigetragen. Die Weine sind sehr elegant, mit schönem Fruchtausdruck, gefällig und voll am Gaumen. Die vorhandenen Tannine verleihen ihnen ein tolles Lagerpotential.
Nicola Caimi, landwirtschaftlichen Institut Mezzana
Es ist eine wahre Freude, sie zu verkosten. Die Weine sind intensiv und warm. Ich erinnere mich, dass in diesem Jahr die Lese relativ einfach war. Die optimale Reife der Trauben hatte den Effekt, dass auch der BSA, der auf die alkoholische Gärung folgt, sich schnell gestaltete. Ohne Zweifel war es mehr ein Jahr der roten als der weißen Weine.
Sergio Scalmanini, Cantina Giubiasco
Es genügen wenige Adjektive, um sie zu definieren: strukturiert, potent und körperreich. Die 2013er aus dem Sopraceneri haben sich mehr in Kraft als in Frucht entwickelt, ganz ähnlich wie im Sottoceneri.
Andrea Ferrari, Tenuta Vitivinicola Ferrari Roberto
Die Weine des Jahres 2013 erinnern mich an jene des Jahres 2007, einem Jahrgang, der mir als großartig im Gedächtnis geblieben ist. Weine von wunderbarere Ausgewogenheit und intensiver aromatischer Anmut.
Alessandro Mascheri, Valsangiacomo vini
Ich stelle viele Ähnlichkeiten zwischen den Weinen von 2013 und 2009 fest. Bei den hochklassigen Weinen sind wir wahrscheinlich sogar besser, während wir bei den VITI Merlot eine gute Struktur haben. Samtige Tannine und die Beerenfrucht
verleihen ihnen Eleganz. Auf jeden Fall handelt es sich um Weine mit einem schönen Alterungspotential. Es sind Weine, die noch einige Jahre brauchen, um das Beste von sich zu geben.
Mit dem Jahrgang 2013 ist – auf Ersuchen der Tessiner Interprofession Rebe und Weins – der Artikel 10 des Reglements betreffend der Anerkennung des kontrollierten Ursprungs (Ticino DOC) angepasst worden. Mit der Änderung ist jetzt die Verwendung einer erweiterten Liste bestimmter Rebsorten der zweiten Kategorie für den Verschnitt der Ursprungsweine zulässig. Zuvor war diese Möglichkeit auf die Sorten Ancellotta, Arinarnoa und Petit Verdot für die roten und auf Johanniter für die weissen Weine beschränkt.
Neu darf Merlot del Ticino DOC also auch mit Gamaret, Cabernet, Syrah, Nebbiolo oder Barbera und weitere assembliert werden, sofern diese Sorten im Tessin angebaut werden.
Nach wie vor nicht gestattet ist ein Verschnitt mit Rebsorten mit amerikanischem Genmaterial wie die Kreuzungen Léon Millot oder Maréchal Foch.