Completer ist eine sehr seltene Rebsorte und nur eine handvoll Winzer keltern daraus in der Bündner Herrschaft einen entsprechend raren Wein. Nun hat der Rebsortenforscher Dr. José Vouillamoz herausgefunden, dass die Sorte auch im Wallis existiert. Für Ihn zählen die Completerweine zu den spannendsten Weinspeizalitäten der Schweiz. Als Sammler dieser Weine hat José Vouillamoz eine kleine Runde von Weininteressierten zur Vertikaldegustation ins Sensorama im Château de Villa in Sierre eingeladen.
«Das letzte Gebet am Tag, das Completorium, ist gesprochen. Die Mönche des Stifts Chur wandeln von der Kirche ins Refektorium und geniessen als Schlummertrunk einen Becher Wein, bevor sie sich zur Ruhe legen. Einen kräftigen Weissen aus Malans.» So lautet die Legende, nach der die Rebsorte und der daraus gekelterte Wein, der Completer, zu ihren Namen gekommen sind. Tatsache ist, dass der Rebbau in Malans seit dem Jahr 926 urkundlich belegt ist – jedoch ohne Nennung einer Rebsorte. Wahrscheinlich haben in der Bündner Herrschaft bereits die Römer Reben kultiviert. Es würde aber nicht erstaunen, wenn der Weinbau am oberen Rhein noch viel älter wäre. Der passionierte Ampelograph Marcel Aeberhard vermutet, dass Benediktinermönche aus Pfäfers Completerreben von ihren Besitztümern in Italien nach Malans und an den Zürichsee gebracht haben. Der Name Completer im Zusammenhang mit Reben und Wein aus Malans wird im Jahr 1321 erstmals genannt. Das belegt ein Dokument aus dem Archiv der Kathedrale von Chur. Dass die Completerrebe fürher weit verbreitet war, zeigen die zahlreichen Synonyme: Malansertraube in Graubünden, Lindauer am Bodensee, Räuschling Edelweiss in der Deutschschweiz oder Zürirebe am Zürichsee.
In der Mitte des 20. Jahrhunderts wäre die Completerrebe beinahe ausgestorben. Die Sorte mit ihrer sehr markanten Säure hat dem geläufigen Geschmack der Weintrinker nicht mehr entsprochen. Aus wenigen alten Stöcken ist einer, der sich regelmässig durch frühere Reife und geringeren Säuregehalt auszeichnete, selektioniert worden. Dieser Rebstock gedeiht noch immer an der Mauer, die die Malanser Halde, die sogenannte Completerhalde umgibt. Heute wird Completer auf 3.75 Hektar angebaut (Stand 2010, Quelle: Bundesamt für Landwirtschaft).
Mit der zunehmenden Beachtung und Wertschätzung der alten autochthonen Sorten gewinnt die Completerrebe wieder an Terrain. Erst kürzlich hat Gian Battista von Tscharner einige Aren neu angepflanzt. Und im Wallis plant Marie-Thérèse Chappaz in Charrat ein paar Aren Completer anzupflanzen. Die Rebsorte existiert seit Jahrhunderten in kleinsten Mengen auch bei Visp im Wallis. Im Weiler Eyholz haben José Vouillamoz und Josef-Marie Chanton Completer in einer alten Pergola-Anlage zusammen mit der Rebsorte Lafnetscha gefunden. Die Lafnetscha wird erstmals in einem Dokument aus dem Jahr 1627 erwähnt, das im Archiv von Niedergesteln bei Raron gefunden wurde.
Die Rebbauern, denen die Pergola-Anlage gehört, bemerkten die unterschiedliche Beerengrösse von einer Rebe zur anderen. Weil die Sorten aber nicht näher bestimmt werden konnten, nannten sie diese Kleine Lafnetscha und Grosse Lafnetscha. Offiziell ist diese Unterscheidung der Sortennamen nie bestätigt worden.
Neuste Untersuchungen des Rebsortenforschers Dr. José Vouillamoz haben nun ergeben, dass die DNA der Kleinen Lafnetscha und der Completerrebe identisch sind. Im Weiteren hat Vouillamoz herausgefunden, dass die als Grosse Lafnetscha bezeichnete Rebe aus einer natürlichen Kreuzung der Sorten Humagne Blanche und Completer – oder eben der Kleinen Lafnetscha entstanden ist. Obwohl vermutet wird, dass die Kleine Lafnetscha parallel zur Completer in Graubünden aus Italien eingeführt wurde, ist der Name Completer im Wallis nie erwähnt worden.
Mit einem Klick auf das Bild von José Vouillamoz gelangen Sie zur Reportage von Paul Vetter, Canal9, über die Kleine Lafnetscha in Eyholz.
Die offizielle Verwandtschaft der Rebsorten:
Unbekannte Sorte x Colombard (Provence/F) = Humagne Blanche (VS)
Humagne Blanche (VS) x unbekannte Sorte = Himbertscha (VS)
Humagne Blanche (VS) x Completer (GR) = Lafnetscha (VS)
Completer (GR) x Bondola/Briegler (TI) = Hitzkircher (LU)
Completer (GR) x Bondola/Briegler (TI) = Bondoletta (TI)
Für José Vouillamoz zählt Completer zu den spannendsten der Schweizer Weinspezialitäten. «Die Weine haben ein enormes Potenzial.» Seit Jahren ist er auf der Suche nach Completer und hat eine beachtliche Sammlung zusammengetragen. Eine Vertikale von sechzehn Jahrgängen hat José Vouillamoz am 20. April einer kleinen Gruppe von Weininteressierten im Sensorium des Château de Villa in Sierre präsentiert. Mit Ausnahme von drei Jahrgängen stammten alle Weine aus dem Keller von Gian Battista von Tscharner, der die Passion für den Completer mit José Vouillamoz teilt. Dies obwohl Completer auf dem Schlossgut Reichenau eine eher kleine Nebenrolle spielt. Von den 5.3 Hektar Reben sind gerade mal 1000 Quadratmeter mit Completer bestockt. Das Spannende beim Completer ist, dass die Sorte den Winzer in den Reben und im Keller jeden Tag fordert. «Die Erntemengen sind sehr unregelmässig und erst ab 100° Öchsle entsteht ein ansprechender, sortentypischer Wein.» Completer ist stur und bei der Vinifikation wird Geduld vorausgesetzt. Manche Jahrgänge gären während Jahren in Stahltanks und reifen danach weitere Jahre in Eichenfässern. Gian Battista von Tscharner redet jeden Tag mit dem Wein. «Manchmal muss man den Completer anschreien, damit etwas rechtes aus ihm wird.» Wer den kräftigen, vollbärtigen Gian Battista von Tscharner zum ersten Mal mit lauter Stimme sprechen hört, dem läuft bei diesen Worten ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Doch das Bündner Urgestein hat auch seine sanften Seiten. Das beweisen seine Completerweine.
Mit einem Klick auf das Bild von Gian-Battista von Tscharner gelangen Sie zur Reportage von Paul Vetter, Canal9, über die Completerverkostung.
Meilener Completer 1991, Hermann Schwarzenbach, Meilen, Zürich
Meilener Completer 1993, Hermann Schwarzenbach, Meilen, Zürich
Lafnetscha 1987, Josef Marie Chanton, Visp, Wallis
Jeninser Completer 1988, Gian Battista von Tscharner, Reichenau, Graubünden
Jeninser Completer 1992, Gian Battista von Tscharner, Reichenau, Graubünden
Jeninser Completer 2002, Gian Battista von Tscharner, Reichenau, Graubünden
G.B. von Tscharner: «Als ich den Wein das letzte Mal degustiert habe, war er überhaupt nicht typisch. Ein Completer für Einsteiger, dachte ich, doch heute ist er voll da!»
Jeninser Completer 1995, Gian Battista von Tscharner, Reichenau, Graubünden
Jeninser Completer 1999, Gian Battista von Tscharner, Reichenau, Graubünden
Jeninser Completer 2000, Gian Battista von Tscharner, Reichenau, Graubünden
Jeninser Completer 2005, Gian Battista von Tscharner, Reichenau, Graubünden
G.B. von Tscharner: «Die Trauben des Jahrgangs 2005 haben wir mit 115° Öchsle gelesen. Bei 50° Öchsle hat die Gärung im Tank gestoppt. Da haben wir den Wein sterilfiltriert, mit zwei Deziliter schwefliger Säure pro 100 Liter Wein versetzt und in Barriques gefüllt. In den Fässern startete eine zweite Gärung, so dass wir den Wein mit fünf Gramm Restzucker abfüllen konnten. Der 2006er war fünf Jahre süss im Tank bis die Gärung zu Ende war. Jetzt kommt er für mindestens weitere fünf bis sechs Jahre ins Fass. Eine weitere Kuriosität ist der 2001er. Dieser Jahrgang hat den biologischen Säureabbau noch nicht gemacht.»
Jeninser Completer 2003, Gian Battista von Tscharner, Reichenau, Graubünden
Jeninser Completer 2004, Gian Battista von Tscharner, Reichenau, Graubünden (50-cl.-Flaschen)
G.B. von Tscharner: «Nach der Lese hat die Completermaische einen Säuregehalt von bis zu 19 Gramm pro Liter. Der Wein in der Flasche kommt je nach Jahrgang auf sechs bis acht Gramm Säure pro Liter.»
Jeninser Completer 1984, Gian Battista von Tscharner, Reichenau, Graubünden
G.B von Tscharner: «Der Wein lag lange auf der Hefe, die zum Beginn der Fassreife ab und zu aufgewirbelt wurde.»
Jeninser Completer 1998, Gian Battista von Tscharner, Reichenau, Graubünden
Jeninser Completer 1989, Gian Battista von Tscharner, Reichenau, Graubünden (50-cl.-Flaschen)
Jeninser Completer 1990, Gian Battista von Tscharner, Reichenau, Graubünden
Einige Stimmen zur eindrücklichen Completerverkostung:
Marie-Thérèse Chappaz, Winzerin in Fully: «Completer ist etwas ganz Besonderes. Ich habe den Wein in Graubünden kennengelernt. Der Wein ist eigenständig, lebendig, hat Persönlichkeit und Energie. Er reift sehr gut. Die Tatsache, dass Completer schon sehr lange auch im Wallis gedeiht, hat mich ermutigt einen halben Hektar von dieser Sorte anzupflanzen.»
Josef-Marie Chanton, Lafnetscha-Produzent in Visp: «Die Degustation war sehr interessant. Es ist spannend zu sehen wie die unterschiedlichen Jahrgänge reifen und dass sich auch 20-jährige Weine gut gehalten haben.»
Corinne Clavien, Kantonsönologin: «Completer ist eine sehr spezielle Sorte. Sie verlangt viel um ein gutes Resultat zu erzielen und sollte vertraulich behandelt werden. Im grossen Sortenspiegel des Kantons Wallis sollte Completer nur von einigen wenigen und wirklich Passionierten Winzern gepflegt werden.»